Grundsätzliches zur Traumdeutung und Traumanalyse




Wie kann ich lernen meine Träume und mich besser zu verstehen?




Einleitung

Das Psychische ist nach psychoanalytischer Sicht so aufgebaut, daß wir über einen Teil dessen, was wir denken, fühlen und tun, Bescheid wissen, darüber nachdenken und reden können. Diesen Teil unseres eigenen psychischen Systems halten wir in der Regel für das Ganze.

Nun ist es aber so, daß es daneben einen Teil gibt, der ebenfalls vorhanden und wirksam ist, von dem wir aber nichts oder nur sehr dunkel und schemenhaft etwas spüren. Dieser sozusagen nicht bewußte Anteil des eigenen seelischen Lebens ist nur mittelbar, in seiner Wirkung und Mitwirkung zu erschließen. Dieser nicht bewußte Teil ist sehr groß und in seiner Wirkung auf eigene Entscheidungen, eigenes Verhalten und eigene Probleme oftmals auch sehr stark.

Dieser nicht bewußte Anteil des psychischen Lebens ist nun nicht einfach zufällig oder aus "Vergeßlichkeit" unbewußt, sondern es gibt einen guten Grund bzw. bedeutsame Gründe dafür. Die unbewußten Anteile im eigenen Seelenleben sind oftmals peinlich, kindlich, extrem unmoralisch, eventuell stark sexuell gefärbt, teils sehr aggressiv und zerstörerisch. Solche Regungen erschrecken uns zum Teil selbst und machen Angst, zum Teil sind sie auch so wenig sozialverträglich, daß man schwere Konsequenzen und Sanktionen befürchtet, würde sie ein anderer mitbekommen.

Und dies kann eben so weit gehen, so beängstigend sein, daß man es nicht ertragen kann, sie selbst in sich zu spüren, weshalb sie weggeschoben, verbannt, mit einem Wort unbewußt gemacht werden.

Es gibt also unbewußte Anteile in einem selbst, die von anderen Anteilen in uns selbst unbewußt gemacht werden, damit man sie nicht ertragen und aushalten muß.

Auch dieser Vorgang, also das innerliche Unbewußt-Machen von eigenen Bedürfnissen und Strebungen, ist ebenfalls nicht bewußt; auch hiervon bekommt man nichts mit.


Was hat das nun mit dem Traum zu tun?


Nun, es ist die Voraussetzung zum Verständnis des Traums.

Jeder Traum hat also eine Bedeutung, einen Sinn. Dieser Sinn ist aber in der Regel nicht bewußt und auch nicht unmittelbar ersichtlich. Entweder scheint der eigene Traum gar keinen verständlichen Sinn zu haben, oder er hat einen ganz klaren, offensichtlichen Sinn, der aber ebenfalls nur dazu dient, den eigentlichen, tiefer liegenden Sinn zu verbergen.

Der Sinn des Traumes ist aber auch hier nicht zufällig unbewußt, sondern aus denselben Gründen, wie oben angesprochen: Es handelt sich um Inhalte, um Bedürfnisse und Ängste, die wir als vernünftige und wache Person völlig unsinnig finden, oder sogar so erschreckend finden, daß wir sie nicht ertragen wollen oder können.

Deshalb wird im Traum und beim Erinnern des Traumes der Sinn verschleiert, verzerrt und entstellt, und deshalb ist eine Traumdeutung auch schwer, weil es ja gute Gründe gibt, den Sinn auch weiterhin verborgen zu halten, eben weil nur ein Teil des wachen Ichs wirklich wissen möchte, was in den unbewußten Anteilen des eigenen Psychischen vor sich geht. Ein anderer Teil des Ich ist so erschreckt von solchen Inhalten und ist so sehr darauf gerichtet, mit der alltäglichen Realität und den dortigen sozialen Anforderungen in Einklang zu leben, daß alle anderen Regungen abgelehnt und verbannt werden müssen.

Traumdeutung ist also ein schwieriges Geschäft, und man darf nicht meinen, das man mit einigen wenigen Hinweisen oder gar mit einem Traumlexikon (Symbollexikon) oder einem Traumdeutungsbuch mal eben auf die schnelle die Bedeutungen der eigenen Träume erschließen kann.
Hierzu ist eine recht umfangreiche Arbeit nötig.

Wenn man sich darauf einläßt, kann man viele spannende Dinge über sich erfahren, was längerfristig dazu führt, daß man sich selbst besser kennenlernt, und mit bedeutend mehr eigenen inneren Anteilen im Frieden lebt, als man das gewöhnlich im normalen Alltag tut.





Der Traum nach Sigmund Freud


Hier sollen in aller Kürze als erste Einführung ein paar kurze Gedanken aus einem von mir gehaltenen Vortrag zum Thema wiedergegeben werden.
Dies ist alles sehr komprimiert und damit vielleicht nicht sehr leicht verdaulich. Wer sich genauer informieren möchte, kann entweder Freud im Original lesen (Literaturhinweise) oder darauf warten, daß ich in Kürze eine ausführlichere Version an diesem Ort bereitstelle.


Das Epochemachende Werk zum Traum stammt von Sigmund Freud aus dem Jahre 1900 und heißt schlicht: Die Traumdeutung.

Ich möchte hier an dieser Stelle die Gedanken referieren, die Freud selbst dazu in den "Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse" wiedergibt.


3 Annäherungen:
- Der Traum ist zunächst immer auch Verarbeitung äußerer Reize, die dann im Traum erscheinen. Die experimentelle Psychologie hat dies vielfach nachgewiesen, z. B. ein Weckerklingeln, Leibreize wie Hunger oder Harndrang etc. Die Frage aber wie diese Reize im Traum erscheinen und verarbeitet werden, läßt sich aus den Reizen selbst nicht ableiten.
- Der Traum im Vergleich zum Tagtraum: Man sieht im Tagtraum nicht (vermeintlich) Dinge wie im Traum, sondern man stellt sie sich vor. Es sind also keine Halluzinationen, sondern gedachte Phantasiebildungen. Der Held im Tagtraum ist immer die eigenen Person. Es geht meist um Machtbedürfnisse und erotische Wünsche.
- Der Traum im Vergleich zum hypnotischen Schlaf: In beiden gibt es ein Vergessen, unter Hypnose auf Befehl. In beiden gibt es zunächst keine Erinnerung. Insistiert eine äußere Person aber darauf, daß man sich erinnern solle, dann stellt sich beim Probanden zu dessen Verblüffung die Idee ein, daß er doch etwas wissen könnte. Es kommt zunächst zu bruchstückhaften und dann zu immer deutlicheren Erinnerungen.

Aus diesen ersten Überlegungen leitet Freud 2 Annahmen über den Traum ab:

- Es gebe Dinge, die man weiß, ohne darum zu wissen, daß man sie weiß! Diese sind also, im zunächst rein beschreibenden Sinne, unbewußt.
- Der Traum ist ein sinnhaftes psychisches Phänomen, in dem immer gleichzeitig mehrere Tendenzen wirksam werden und jede einzelne dieser Tendenzen versucht, sich durchzusetzen.
- Der Traum wird als Behüter des Schlafs verstanden, indem äußere und innere schlafstörende Reize erledigt werden. Zu den inneren Reizen zählt Freud die Wünsche. Diese werden nicht einfach nur dargestellt, sondern als halluzinatorisches Erlebnis erfüllt bzw. befriedigt (Wunscherfüllung als Hauptcharakter des Traums).
- Der Traum ist also immer eine Kompromißbildung mindestens zweier konkurrierender Tendenzen: Der Wunschbefriedigung einerseits und der Fortsetzung des Schlafes andererseits.

Das Wesen des Traums: Jedes Traumelement wird angesehen als ein Abkömmling bzw. als Ersatz eines unbewußten Bedeutungskomplexes. Hinter jedem Traumelement steht etwas "Eigentliches", um das es geht und das zum Ausdruck kommen soll bzw. will.

Der Traum als Ganzes ist ebenfalls der entstellte Ersatz für etwas Unbewußtes, unbewußte Wünsche z. B., und die Aufgabe der Traumdeutung ist es, dieses Eigentliche aufzufinden.


dynamisches Modell der Traumbildung und das "Warum" der Traumarbeit:

Zunächst ist eine Begriffklärung nötig:

- manifester Trauminhalt: Das ist das, was der Traum als in Wörter übersetzte Geschichte erzählt.

- latente Traumgedanken: Das ist das Verborgene, das Unbewußte, das Eigentliche, der hintergündige Bedeutungszusammenhang bzw. der Wunsch, der erschlossen werden soll.

- die Traumarbeit: Sie bildet die latenten Traumgedanken in den manifesten Trauminhalt (kurz den Traum) um. Der Traum ist also das Produkt der Traumarbeit, die die latenten Gedanken in den manifesten Inhalt übersetzt.


Dahinter steht die Vorstellung vom dynamischen Aufbau des seelischen Apparates:

- Es gibt seelische Tendenzen, die vom wachen Urteilen des Träumers anerkannt werden, mit denen er sich einig fühlt! Das ist das spätere "Ich". Diese Tendenzen üben die Zensur aus.

- Es gibt die Tendenzen, die vom Wachen aus betrachtet als anstößig, verwerßich, rücksichtslos etc. erscheinen (z. B. Inzestwünsche, überhaupt sexuelle Wünsche, Haß, Todeswünsche gegen nahe Personen etc.); hier handelt es sich um das Sammelsurium infantiler Regungen (später das System Unbewußt).

Weil durch die Traumarbeit gerade anstößige (sexuelle), unverträgliche Inhalte entstellt und damit verträglicher gemacht werden nennt Freud dies im Vergleich zur Zeitungszensur "Traumzensur". Dies kann man sich als dynamischen Prozeß vorstellen, der nicht zu lokalisieren ist, aber überall dort spürbar wird, wo Lücken und unklare Stellen vorzufinden sind. Die ich-syntonen Tendenzen üben die Zensur aus, die anstößigen Tendenzen sind diejenigen, gegen die sich die Zensur richtet.

- Freud folgert, es gebe "das" Unbewußte als eigenes psychisches System, mit eigenen Wunschregungen, Ausdrucksweisen und Mechanismen; der Traumwunsch stammt aus diesem noch näher zu charakterisierenden Unbewußten.

- Zur Traumbildung treten schließlich noch Tagesreste hinzu: Kleine, scheinbar unwichtige, oftmals nur am Rande erlebte Ereignisse, die im Traum auftreten. Sie sind zwar unbewußt, aber man hätte sie auch im Wachen denken können. Sie sind sozusagen ich-synton, teilen also die Urteile des wachen Lebens; sie sind vollständig verständlich und zusammenhängend. Sie sind also "nur" dynamisch unbewußt, entstammen nicht dem System Unbewußt, sondern dem Vorbewußten, also dem nicht aktiv Gedachten aber grundsätzlich Bewußtseinsfähigen.


Nun läßt sich die Traumarbeit genauer als oben bestimmen: Die Traumarbeit übersetzt einen Tagesrest mit Hilfe eines unbewußten Wunsches (hierher stammt die Energie) in eine bestimmte, noch näher zu klärende Ausdrucksweise, zur Erfüllung dieses Wunsches. Anders gesagt: Ein unbewußter Wunsch bemächtigt sich eines Tagesrests um sich durchzusetzen (Energie vom unbewußten Wunsch, Verwendung und Ausgestaltung vom Tagesrest).

Der Traum ist also eine Wunscherfüllung, die Lust bringt, aber nicht unbedingt dem Träumer (!), sondern irgendeiner seelischen (Teil-)Tendenz aus dem Unbewußten, die sich durchsetzen will. Dem Ich als Realitätsinstanz macht diese Wunscherfüllung oftmals keine Lust sondern Angst, so daß es diese Wünsche zensuriert als Angstabwehr. Traumentstellung bzw. Traumzensur sind also das Werk der Traumarbeit.


Die vier wesentlichen Mechanismen der Traumarbeit:

1. Verdichtung: Der manifeste Traum hat weniger Inhalt als der latente, niemals umgekehrt! Entweder wird latentes Material ausgelassen oder von manchen Komplexen des Latenten kommen nur Brocken ins Manifeste oder latente Elemente, die etwas gemeinsam haben, werden zu einem manifesten Element zusammengelegt.
Dies entspricht der Überdetermination: Ein manifestes Element entspricht mehreren latenten Gedanken, ein latentes Element kann an mehreren manifesten Elementen beteiligt sein.


2. Verschiebung im Sinne von Ersetzungen: Wichtiges wird zu Unwichtigem, andere Zentrierung, Nahes wird durch Entfernteres ersetzt etc.


3. Umsetzung von Gedanken in visuelle Bilder (Freud: Darstellungsmittel des Traumes; Salber: Rücksicht auf Darstellbarkeit): Dabei wird Abstraktes oft auf konkrete Bedeutungen zurückgeführt ("Katharina die Große" als eine Frau mit übertriebener Körpergröße z. B.)
und Denkbeziehungen (z. B. alle Konjunktionen: "weil", "in der Folge", "deshalb" ...) gehen oft einfach verloren. Hier kann z. B. ein gegensatzfähiges Element sich selbst bedeuten, sein Gegenteil oder beides zusammen (vgl. Sprachentwicklung: Das lateinische Wort "altus" kann sowohl hoch als auch tief bedeuten.) Umkehrungen der Reihenfolge (Wirkung ist vor der Ursache da), Umkehrungen der Situation (Hase schießt auf Jäger etc.) etc. kommen vor.


4. sekundäre Bearbeitung: Sie versucht aus den Ergebnissen der Traumarbeit etwas Ganzes, Zusammenpassendes zu machen (Prägnanztendenz; Gesetz der guten Gestalt), was dem wachen, vernünftigen Denken entspricht. Sie wirkt aber schon bei der Traumbildung selbst mit (!) nicht erst beim morgendlichen Erzählen oder Deuten des Traumes. Dort wird sie nur besonders deutlich spürbar.

Mehr als diese 4 Mechanismen hat die Traumarbeit nach Freud nicht!


Zur Technik der Traumdeutung:

Man muß sich zunächst folgendes klarmachen: Die gleiche Kraft, die bei der Traumbildung die Traumzensur bewirkt, macht sich als Deutungswiderstand bemerkbar beim Versuch, den Traum zu verstehen! Deutung vollzieht sich gegen einen Widerstand, der sich in kritischen Einwänden und Verleugnungen äußert.


Es gibt drei Regeln der Traumdeutung (sehr analog zu den Fehleistungen):

- Man sollte sich nicht darum kümmern, was der Traum als Ganzes zu besagen scheint (Sinnlosigkeit etc.)

- Der Traum sollte in einzelne, kleine Elemente zerlegt werden, um die Entstellung durch Sinnverschiebungen und "falschen" Sinn (vgl. Traumarbeit und Mechanismen) aufzubrechen.

- Man sollte zu jedem einzelnen Element die Ersatzvorstellungen erwecken, ohne sie zu bewerten (= sogenannte "freie Assoziationen"): Egal ob etwas unwichtig, unsinnig, nicht hierher gehörend oder zu peinlich erscheint. Zu jedem Element sollte man den Gedanken freien Lauf lassen bis immer weitere Ersatzbildungen auftreten, aus welchen man das Verborgene immer deutlicher erraten kann.


Hier eine exaktere Anleitung, wie man seine eigenen Träume deuten kann.